Ausstellungen

16. September 2012

Janet Biggs

Randsucher

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Die vierteilige Videoinstallation „A Step on the Sun” steht im Mittelpunkt der ersten musealen Einzelausstellung in Europa der amerikanischen Künstlerin Janet Biggs. Die Künstlerin, der das Tampa Museum of Art/Florida in diesem Frühjahr ebenfalls eine große Präsentation gewidmet hat, ist vor allem für ihre farbkräftigen Videos, Fotografien und Performances bekannt geworden. Begonnen hatte die in New York lebende Künstlerin, die an der Rhode Island School of Design studierte, ihre Laufbahn als Malerin. Biggs findet die Schönheit in extremen Situationen, in der Arktis ebenso wie in einer Salzwüste in den USA oder in einem Schwefelvulkan auf Java. In ihren Werken kämpfen verletzliche und zugleich beeindruckend starke Charaktere damit, ihr Selbst in extremen Situationen und Umgebungen zu definieren und zu erhalten.

In ihrer 2011 im Osten Indonesiens entstandenen Arbeit „A Step On the Sun” zeigt Janet Biggs die Mühsal eines Arbeiters in einer Schwefel-Mine im Vulkan Kawah Ijen auf Java. Wir sehen, wie der Minenarbeiter gehärtete Schwefel-Kristalle  aufsammelt, in einen Korb wirft und die schwere Last schließlich einen steilen, steinigen Weg hinaufträgt. Die Bilder konfrontieren uns mit einer provokanten Mischung aus unglaublich intensiven Farben einer lebensfeindlichen Natur und menschlicher  Ausbeutung.

Am Boden des Vulkankraters befindet sich der weltweit größte See mit tiefblauem, säurehaltigem Wasser, so konzentriert, dass es sich, wie die Künstlerin erklärt, in 15 Sekunden durch eine Blechbüchse frisst. In dieser Umgebung arbeitet der Minenarbeiter Slamet Hariadi, den Biggs an der Station traf, wo die geförderten Schwefelstücke gewogen werden. Er steigt zwei Mal am Tag auf den Grund des Vulkans, ohne Atemgerät, das die Künstlerin natürlich benutzen musste, und trägt in 45 Minuten mehr als sein eigenes Gewicht hinauf – für etwa 6€ pro Ladung.

In der Ausstellung im Skulpturenmuseum sind die Videoaufnahmen auf vier Leinwände verteilt; es entsteht ein intensives Raumgefühl, das durch die Geräuschebene noch verstärkt wird. Die Filmsequenzen, die wir sehen, überwältigen durch ihre Schönheit, zugleich sieht man jedoch die Qual des Arbeiters, auch ohne die genauen Fakten zu kennen. Doch die dokumentarische Genauigkeit, mit der das tägliche Arbeitsleben des Trägers gefilmt wurde, ohne anzuklagen, überlässt dem Betrachter die Wertung dieser neben seiner Schönheit auch sehr politischen Arbeit.

„In the Cold Edge” gehört zur in 2010 entstandenen „Arctic Trilogy” und beginnt mit einer einsamen Person, die in einen klaustrophobisch engen Eistunnel hinabsteigt. Dieses Stück konfrontiert den Betrachter mit der ungeheuerlichen Macht der Natur – zwischen Ehrfurcht und Furcht, Bewunderung und Angst. Dieses Video konzentriert sich auf die eisige Landschaft und lässt den Betrachter die überwältigende Umgebung durch die Augen der Künstlerin sehen. Wenn der Eiskletterer wieder an die Oberfläche kommt, schwenkt die Kamera über einen gefrorenen See, umgeben von einer Gebirgsformation und unter einen schiefergrauen Himmel. Janet Biggs tritt mit einem Gewehr ins Bild, das sie mit einem langen Feuerschweif abschießt. Es könnte ein Hilferuf sein, oder einfach ein Lebenszeichen, mit der sie in einer feindlichen Umwelt Präsenz demonstriert.

In den Videos „Airs Above the Ground” und  „Performance of Desire”, beide von 2007, geht es um Synchronschwimmerinnen, in „Vanishing Point” (2009) um die Weltmeisterin Leslie Porterfield in der Salzwüste von Utah, die mit einem Gospelchor aus Harlem konfrontiert wird, und in „Duet“ (2010) wiederum um Motorrennen, die berühmte amerikanische NASCAR racing – Serie wird ebenfalls mit einer musikalischen Darbietung verknüpft.

Die Installation „BuSpar“ aus dem Jahr 1999 ist die früheste Arbeit von Janet Biggs in dieser Ausstellung und zeigt exemplarisch, woher ihr Interesse an extremen menschlichen Lebensentwürfen stammt, die ihre späteren Videos dominieren. In dieser Installation aus drei Videos ist in der Mitte der Oberkörper einer älteren Frau in einem Schaukelstuhl zu sehen, die von zwei gleichgroßen Videos auf den Seitenwänden von einem (gespiegelten) galoppierenden Pferd begleitet wird. Der Schimmel bewegt sich in einem engen Kreis um die Kamera, was jedoch nicht direkt zu sehen ist, denn der Kameraausschnitt zeigt nur den gebogenen Hals und den Kopf des Pferdes. Die Gleichförmigkeit der Bewegung, sowohl von der Frau wie vom Pferd erzeugen zusammen mit dem monotonen Rhythmus des nur hörbaren Hufschlags ein Gefühl von einer Unabänderlichkeit des Schicksals, gegen das sich die Protagonisten der späteren Videos in ihrer Suche nach Extremen auflehnen.