Ausstellungen
03. March 2013
Klara Hobza
Salvaging Morse Code
Unter dem Titel „Salvaging Morse Code“ ist im Skulpturenmuseum eine Ausstellung von Klara Hobza zu sehen, die eine Installation und Videos utopischer Projekte von der 1975 in Pilsen geborenen Künstlerin zeigt. Der Titel bezieht sich auf eine Installation im höheren der zwei Verwaltungs - Bürotürme neben dem Rathaus am Creiler Platz. Aus einem Büro im obersten Stockwerk sind nach Einbruch der Dunkelheit über die gesamte Ausstellungsdauer immer wieder Lichtzeichen zu sehen, die in einem Morsecode verschlüsselt („kurz-lang-lang-kurz“ und so weiter) eine von der Künstlerin erfundene, aber an der Realität orientierte Geschichte über kommunale Finanzen, Schulden und persönliche Schicksale in die Nacht hinaus senden. Die geheimnisvollen Lichtsignale sind also nicht nur abstrakte Kunst, sondern lesbar – wenn man den Morsecode versteht…
Mit dem Morsen hat sie vor 10 Jahren in den USA begonnen, als sie den Film „Das Boot“ sah und ihr das Morsen als eine Art fast ausgestorbener Kommunikation auffiel. Sie baute sich spontan eine Morse-Licht-Anlage, indem sie 12 Leuchten aneinander schaltete, um die Lichter dann mit einem Mehrfachstecker gleichzeitig ein- und ausschalten zu können. Mittels der Lichtsignale im Morse-Code Rhythmus begann sie dann, mit meiner Außenwelt zu kommunizieren. Ihr Atelier, ein Eckraum mit vielen Fenstern, lag im 4. Stock eines Gebäudes an der 125ten Straße / Ecke Broadway. „Wenn man aus dem Fenster sah, konnte man auf etliche Hochhäuser mit Wohnungen, die stark befahrenen Straßen, eine überirdisch laufende U-Bahn und ein paar Wolkenkratzer sehen. Ich dachte mir, in jedem Moment gäbe es ein Potential von tausenden von Menschen, die mich sehen könnten, mit denen ich Kontakt aufnehmen könnte.“
Zwar brauchte sie Jahre, um den Code fließend benutzen zu können und ihre Anlage bis auf 30.000 Watt hochzurüsten, aber dann begannen Nachbarn zurückzumorsen – Hobza hatte eine antiquierte Technik ins Leben zurückgebracht. Als Begründung für die Beschäftigung mit dem hauptsächlich militärisch genutzten Kommunikationsmittel schreibt sie für das Jahr 2003 in ihrer bis weit in die Zukunft, bis zum eigenen Tod reichenden Biographie im zur Ausstellung erschienenen Künstlerbuch: „In New York zunächst recht vereinsamt, baut sich Hobza einen Morse-Apparat, um mit den Millionen von Menschen gleichzeitig kommunizieren zu können. Sie wartet drei Jahre auf eine Antwort. … Trotzdem fand ich Gefallen an dieser archaischen Form der im Idealfall zeitgleichen Kommunikation, dieses Beharren des Individuums entgegen jeder realistischen Einschätzung, und schließlich ging es mir auch um das Konkurrieren von zwölf 100-Watt-Glühbirnen gegen das kommerzielle Lichtermeer der Werbung New Yorks. Es war für mich ein David-gegen-Goliath Spiel.“
Bis über die Grenze des Möglichen zu gehen, etwas scheinbar Unmögliches und deswegen Absurdes zu versuchen ist Hobzas künstlerische Methode. Als sie 2009 zurück nach Deutschland zog, wollte sie ihr Atelier komplett für eine Ausstellung in Hamburg selbst verschiffen. Mit der Hilfe von Feuerwehrleuten gelang es ihr, ein mit allem Inventar beladenes Floß über den East River bis zum Containerhafen nach New Jersey zu schleppen. In Hamburg zog sie es dann mit einem Kajak durch das Fleet bis zu ihrer Galerie in einem alten Speicherhaus. Es ist die Zähigkeit und die Entschlossenheit, mit der sie sich in vermeintlich Absurdes stürzt, ihr Glaube an die Möglichkeit, die Utopie zu verwirklichen, die den Reiz von Hobzas Arbeiten ausmachen. In der Marler Ausstellung ist ein Video zu sehen, wie sie einen kleinen Marathon über den Pier ins Meer vor Coney Island bei New York läuft, um genug Anlauf zu haben und einen selbst gebastelten Papierflieger bis nach Europa zu werfen. Ein anderes Video zeigt, wie sie mit viel Konzentration ins Meer springt, um einer Robbe den gerade gefangenen Fisch abzujagen, selbstverständlich erfolgreich! Und sie hat die Ausdauer für Langzeitprojekte: In 30 Jahre will Hobza Europa durchtauchen, von der Nordsee den Rhein hoch und die Donau runter bis zum Schwarzen Meer.
„Mein Vorhaben, Europa zu durchtauchen, ist schon jetzt und wird auch weiterhin durch endlose Hindernisse geprägt sein. Aber es sind gerade die Hürden, die sich künstlerisch viel intensiver ausschlachten lassen. Ein relativ simpel und effizient gelöstes Vorhaben könnte im besten Fall eine Art von oberflächlicher Bewunderung auslösen. Die Konfrontation mit Problemen, das Durchspielen und Kämpfen um Lösungsmöglichkeiten bietet mir viel mehr Substanz, und ich kann durch ihre Darstellung an viel tiefer liegende menschliche Zustände herankommen. Davon hat auch das Publikum mehr. Effizienz ist nicht mein Metier, das überlasse ich Architekten, Ingenieuren usw., die haben andere Verantwortlichkeiten als ich. Ich bin Künstlerin, und zum Glück frei von Effizienz. Das feiere ich mit diesem Projekt.“