Veranstaltungen

24. September 2015

Marwan Hamdan | David Jablonowski | Anthony Nestel

Bilder-Welten, Lebens-Räume – aktuell, interkulturell

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Ausstellung in der Rathaus-Eingangshalle
Eröffnung: Donnerstag, 24. September, 17 Uhr

Die Ausstellung „Bilder-Welten, Lebens-Räume“ ist Teil des „Abrahamsfestes Marl“ und eine Kooperation mit dem Skulpturenmuseum Glaskasten Marl.

Was bedeutet Herkunft in diesen, unseren Tagen? Aus welchen Geschichten entsteht Identität? Und welche Rolle spielt hierbei die kulturelle und religiöse DNA einer Gesellschaft?

Die drei hier gezeigten künstlerischen Positionen haben eine gemeinsame Basis – sie können sich den direkten oder indirekten Kontexten ihrer Herkunft nicht entziehen. Sei es ganz konkret, im täglichen Leben, wie bei Marwan Hamdan im Libanon oder in der Identität des in den Niederlanden wohnenden Anthony Nestel. David Jablonowski, gebürtiger Bochumer und in Amsterdam lebend, interessiert die Geschichte von Bildern oder bildlichen Übersetzungen generell, aber auch solche, die zudem spezifisch ein Fundament in unserer kulturellen, westlichen Bildtradition haben.

Marwan Hamdans Filmarbeit „Separation Anxiety“ (Trennungsangst) erzählt die Geschichte seiner christlichen Mutter und seines muslimischen Vaters, die sich ein Jahr nach dem Beginn des libanesischen Bürgerkrieges in der kommunistischen Partei kennenlernten. In dem Film ist eine Aufnahme zu sehen, die kontinuierlich den historischen Verlauf der Grenze, die die Stadt Beirut in ein christliches Osten und ein muslimisches Westen teilt, registriert. Weiterhin zeigt es einen Vergleich zweier Bilder, die Teil der russischen Revolution sind: zum einen ein romantisierender, fiktiver und filmischer Blick mit Ausschnitten aus Arbeiten des Filmpioniers Sergei Eisenstein. Zum zweiten, ein realistischer Blick anhand der Benutzung archivischen Materials, welches die gesellschaftliche Revolte und den Fall der Sowjetunion zeigt.
Parallel zu den Bildern hört man die Erzählung von Marwans Mutter, über die Probleme ihrer gemischten Ehe und die Beziehungen zu ihren Familien, speziell zu ihrem älteren Bruder. Dieser war Kommunist und probierte mit viel Druck die Ehe zu verhindern, was in einer heimlichen Hochzeit und einer Familienkrise endete.

Was haben das Bild „Die Volkszählung zu Bethlehem“, von Pieter Bruegel dem Älteren von 1566, sowie die Kopien seines Sohnes Pieter Brueghel dem Jüngeren, mit einem Fußballspiel des BVB gegen den HSV im Jahr 1987 gemeinsam? In beiden Vorstellungen geht es um Datenerhebung. Genauso wie „Big Data“ im Jahre Null für den Geburtsort Jesus Christus‘ verantwortlich war, hätte das Fußballspiel beinahe nicht stattgefunden, aufgrund von Protestaufrufen gegen die Volkszählung, die auf den Spielfeldrasen geschrieben worden waren. Datenschutz, man denke an den NSA Skandal dieser Tage – oder andere erinnern sich noch an Enfopol Ende der 1990er Jahre – haben den gesellschaftlichen Protest nicht zum grundsätzlichen Überdenken gedrängt. Zu groß ist der Einfluss zeitgenössischer „Imperialisten“ wie Google, Twitter und Facebook um einen generellen Verzicht in Erwägung zu ziehen. In der hier ausgestellten „skulpturalen Videocollage“ scheint ein unterliegender „Hyperlink“ die Geschichte und die zeitgenössische Vermarktung von Bildern und Daten zu verbinden. Neben den Bildern des Fußballspiels und der „sezierten“ Malerei Bruegels taucht ein Video zur Vermarktung der Benutzerdaten abhängigen Software Twitter auf. Dass diese menschengemacht, und nicht auf Initiative des Computers angeboten wird, zeigen unter anderem die Bilder des vierten Monitors: die handschriftlichen Patentskizzen für ein Netzwerksystem, das maßgeschneiderte Benutzerreklame via Algorithmen berechnet.

Anthony Nestels Film „The Holy Land of the Ganda“ (Das heilige Land Ganda) erzählt die auf wahren Gegebenheiten beruhende Geschichte Joseph Chamberlains, der als Britischer Kolonialsekretär im frühen zwanzigsten Jahrhundertein Stück des kolonialisierten, afrikanischen Landes Uganda den an Not, Diskriminierung und tödlicher Verfolgung leidenden Juden, speziell aus Osteuropa anbietet. Nachdem 1904 ein Komitee der zionistischen Bewegung entsandt wurde, um die Realisierbarkeit des Ugandaplans zu prüfen, wurde das Angebot auf dem siebten Kongress der zionistischen Bewegung 1905 in Basel öffentlich abgelehnt. Diese Geschichte wird in einer geschriebenen Form „über“ Filmbildern erzählt, die eine afrikanisch-jüdische Gemeinschaft zeigen, die wiederum den jüdischen Staat Israels verehrt. Die Nicht- Anerkennung Ihrer selbstinitiierten Glaubensgemeinschaft im jüdischen Verband, sowie ihre Herkunft problematisiert zudem den Konflikt von Glaubens- und physischen Grenzen.